Reinhard Diestel

Graphentheorie

Besprechung aus: Jahresbericht der DMV


Aus dem Vorwort der deutschen Ausgabe des Buches:

Die Zeit scheint daher reif für eine Neubesinnung. " Was sind heute die Grundpfeiler der Graphentheorie, die einer einführenden und doch in die Tiefe zielenden Vorlesung das Fundament geben können? "

Diese Neubesinnung ist in dem von Reinhard Diestel vorgelegten Band Graphentheorie mit größter inhaltlicher wie formaler Sorgfalt geschehen. Das Ergebnis ist, um dies bereits hier vorweg zu nehmen, eine hervorragende und vorbehaltlos zu empfehlende Einführung in eine moderne Graphentheorie.

Kurz zum Formalen. Das Buch ist, wie erwähnt, mit größter Sorgfalt geschrieben. Fehler finden sich im Text so gut wie nicht, die Sprache ist präzise und mit Bedacht gewählt. Die Verweise am Rand des Textes sind zwar gewöhnungbedürftig, erweisen sich jedoch bei längerem Lesen als nützlich. Sehr sinnvoll für ein deutschsprachiges Lehrbuch ist der englisch-deutsche Index.

Nun zum Inhaltlichen. Ein Blick auf die Kapitelüberschriften (Paarungen; Zusammenhang; Graphen in der Ebene; Färbungen; Flüsse; Teilstrukturen; Ramseytheorie für Graphen; Hamiltonkreise; Zufallsgraphen; Minoren, Bäume und WQO) zeigt, daß in dem Buch Klassisches mit Modernem verbunden werden soll und in gelungener Weise verbunden wird. Es wird eine für jedermann zugängliche Einführung in die Graphentheorie gegeben, die den Leser von der Attraktivität der Graphentheorie durch die Darstellung anspruchsvoller und teilweise recht neuer Ergebnisse zu überzeugen sucht. Dies gelingt dadurch, daß der Autor sich große Mühe bei der Auswahl der Beweise gibt, auch längere Beweise hervorragend motiviert und lückenlos darstellt. Manche Ergebnisse (wie beispielsweise die Existenz endlicher Ramseygraphen) werden mehrmals und auf verschiedene Arten bewiesen. Dies hilft dem Leser beim Verständnis des Ergebnisses und lehrt gleichzeitig wichtige Beweismethodiken.

Jedes Kapitel enthält Übungen und Notizen, beide unverzichtbar für den Lernenden, die einen, um das Gelesene zu festigen, die anderen, um es einzuordnen. Jedoch auch der in der Graphentheorie schon etwas Versiertere wird beide mit Genuß lesen.

Die englische Ausgabe unterscheidet sich nur wenig von der deutschen. Das Kapitel "Teilstrukturen" wird in zwei Kapitel "Substructures in Dense Graphs" und "Substructures in Sparse Graphs" geteilt und es wird beispielsweise der Beweis des Regularitätslemmas aufgenommen. Auch wenn dieser Beweis (nicht nur hier) recht technisch ist, die Wichtigkeit des Ergebnisses für die Graphentheorie läßt die englische Ausgabe hier vollständiger erscheinen. Positiv zu vermerken ist, daß das Buch in Deutsch und in Englisch geschrieben worden ist, und nicht einfach eine Übersetzung aus dem Deutschen ins Englische erfahren hat.

Die Graphentheorie hat in den letzten Jahrzehnten eine Vielschichtigkeit und Tiefe erreicht, die es unmöglich macht, auf 280 Seiten in alle wesentlichen Aspekte einzuführen und alle Facetten zu beleuchten. Die Auswahl, was in den Vordergrund gestellt wird, was am Rande betrachtet wird und was schließlich dem beschränkten Platz geopfert werden muß, ist naturgemäß subjektiv. Die Auswahl, die Reinhard Diestel getroffen hat, und vor allem die Darstellung des ausgewählten Stoffes machen das Buch zu einem hervorragenden Beitrag zur Graphentheorie, der sich in den Kanon der prägenden Lehrbücher einreihen wird.

Berlin
H. J. Prömel


Rezensions-Überblick
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